Der international renommierte Fotokünstler Horst Wackerbarth war mit seinem Team in der Lüdenscheider Schützenhalle zu Gast.
Anlass war eine Fotosession mit dem ersten muslimischen Schützenkönig Mithat Gedik aus dem Werler Stadtteil Sönnern, der im Zuge des 70. Geburtstages des Landes Nordrhein Westfalen und des 30. Geburtstages der NRW-Stiftung für das Fotoportrait „heimat.nrw“ auf Wackerbarths weltberühmter Roter Couch platz nahm. Das Portrait „heimat.nrw“ ist wiederum Teil von Wackerbarths Lebensprojekt „The Red Couch – A Galery of Mankind“, das der Künstler Ende der 70er Jahren startete und das fotografische Portraits von Menschen auf der Roten Couch an besonderen Orten beinhaltet.
Die Aufregung um Gedik hat sich inzwischen gelegt
Die historische Lüdenscheider Schützenhalle war als Location vor allem deshalb interessant, weil der Eckturm der Halle mit Mitteln der NRW-Stiftung saniert und erweitert worden war. Aus diesem Grund war anlässlich des Fototermins auch Friedrich-Karl Schmidt, Vorsitzender der Bergstadt-Stiftung Lüdenscheider Schützenhalle, anwesend und ließ es sich natürlich nicht nehmen, auch ein Foto von sich auf der Roten Couch durch den bekannten Fotografen anfertigen zu lassen.
Mithat Gedik, der ebenso wie seine Familie im Zuge seiner hitzig diskutierten Regentschaft als erster muslimischer Schützenkönig von 2014 bis 2015 monatelang von Reportern belagert wurde, musste nach eigenen Angaben lange überlegen, als ihm das Ansinnen Wackerbarths übermittelt wurde, ihn auf der Roten Couch zu fotografieren. „Ganz ehrlich, ich hatte die Nase voll von jeglichen Medien und habe erst zugesagt, als mir das Projekt erläutert wurde und ich verstanden habe, worum es ging“, meint Gedik. Der hauptberufliche Niederlassungsleiter einer Entsorgungsfirma ist erleichtert, dass sich die Aufregung um seine Person inzwischen ein wenig gelegt hat. „Wenn ich gewusst hätte, was daraus entsteht, hätte ich nicht Schützenkönig werden wollen“, betont er.
Zwölf universelle Fragen
Friedrich-Karl Schmidt, ehemals Schützenoberst der Lüdenscheider Schützengesellschaft, ist sich sicher, dass es mit einem Schützenkönig muslimischen Glaubens bei der LSG keine Probleme gegeben hätte. „In der Satzung der Lüdenscheider Schützengesellschaft existiert kein Eintrag, dass der Schützenkönig einer bestimmten Glaubensrichtung angehören muss“, stellte Schmidt klar.
Die Foto-Session, für die sich Fotograf Wackerbarth und sein Team viel Zeit nahmen, stellt nur die eine Hälfte des Portraits dar, das Wackerbarth von den Personen, die auf der Couch Platz nehmen, produziert. Im zweiten Teil stellt er ihnen zwölf universelle Fragen zu Themen des Lebens wie Glück, Angst, Unglück und vieles mehr. Was ist das wichtigste für Sie im Leben, was nervt Sie am Meisten, was waren ihre glücklichsten Momente? Die Antworten werden dabei filmisch dokumentiert. Bei der Arbeit ist der Fotograf voll konzentriert, erwartet diesen Einsatz auch von den Mitarbeitern. Später im persönlichen Gespräch schwelgt Horst Wackerbarth in Erinnerungen an die Arbeit an seinem Projekt „The Red Couch – A Gallery of Mankind“, für das er inzwischen mehr als 900 Personen porträtierte und das er bis an sein Lebensende fortführen wird.
„Für mich ist es wichtig, nicht nur das Gesicht eines Menschen zu zeigen wie bei einem gängigen Portrait, sondern ihn in einer aussagekräftigen Umgebung zu fotografieren“, erklärt Wackerbarth. „Obwohl schon viele Prominente auf meiner Couch saßen, ist es mir nicht wichtig, ob die Person berühmt ist – vielmehr muss sie ein Thema verkörpern, das sich in der Umgebung, in der das Sofa steht, widerspiegelt. Promis sind für mich nur eine weitere Minderheit auf dieser Welt.“ Sein erstes Foto mit der Roten Couch schoss der heute in Düsseldorf lebende und arbeitende Fotograf 1979 in New York.
Erster auf der Couch war ein Bauarbeiter in Brooklyn
„Das war einfach ein Bauarbeiter an der Brooklyn-Bridge, noch mit den World-Trade-Center-Türmen im Hintergrund“, erinnert sich Wackerbarth. War es für ihn immer leicht, an Menschen wie Michael Gorbatschow, Yehudi Menuhin, Peter Gabriel, Götz George oder Peter Ustinov heranzukommen? „Beileibe nicht“, meint Wackerbarth, „denn egal ob prominent oder nicht, viele denken erstmal, dass ich verrückt bin, wenn ich mit meinem Anliegen auf sie zukomme.“ Grundsätzlich habe ihn seine Arbeit gelehrt, keine Vorurteile gegen andere Menschen mehr zu haben.
„Einmal habe ich einen Neonazi auf der Couch fotografiert, da war mir schon ein wenig mulmig“, meint der Fotokünstler. „Als ich ihm erklärt habe, was ich machen wollte, war er dann tatsächlich ganz in Ordnung, aber ich möchte ihn nicht unbedingt unter seinesgleichen treffen.“ Abschließend brennt noch eine letzte Frage auf den Nägeln: Nutzen Sie seit 1979 die gleiche Couch? „Nein, nein“, meint Wackerbarth schmunzelnd, „das ist jetzt die vierte, aber auf ihr saßen die meisten Menschen. Die ist seit 1996 im Einsatz, wird aber in Kürze wohl neu bezogen werden müssen, wenn wir ein Shooting in einem Schweinemastbetrieb beendet haben. Das erste Sofa ist mir bedauerlicher Weise bei einem Schiffsmanöver in den Pazifik gefallen, das zweite wurde versehentlich bei einer Feuerwehrübung abgefackelt.
Nummer drei haben – ganz klassisch – Mitarbeiter in einem Museum entsorgt, weil sie dachten, es sei Sperrmüll.“ Wenn das Projekt „heimat.nrw“ beendet ist und alle 100 teilnehmenden Personen aus Nordrhein Westfalen abgelichtet sind, wird es Festakte im Düsseldorfer Landtag, der Tonhalle Düsseldorf, im Museum-NRW-Forum sowie später in Berlin und Brüssel geben. Darüber hinaus ist eine Wanderausstellung geplant, die in ganz NRW zu sehen sein wird.