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Ready Player One – Steven Spielbergs überbewertete Hommage an die 80er

Foto: Courtesy of Warner Bros. Pictures
Ben Mendessohn glänzt als der fiese Konzernchef Nolan Sorrento. (Foto: Courtesy of Warner Bros. Pictures)

Weil es derzeit schick ist, Dystopien im Kino umzusetzen, wollte Steven Spielberg nicht abseits stehen und brachte mit „Ready Player One“ eine Adaption eines Romans von Ernest Cline in die Kinos.

Der Film schildert eine Welt im Jahr 2045, in der die Menschen vor der düsteren Slum-Wirklichkeit in eine virtuelle Welt namens OASIS flüchten, die von dem Game-Designer Halliday (Mark Rylance) erfunden wurde. Als sein Vermächtnis schrieb Halliday einen Wettbewerb aus, bei dem alle Gamer ein Easer Egg suchen müssen, dessen glücklicher Finder nicht nur das gesamte Milliardenvermögen des Computer-Nerds, sondern auch die Kontrolle über die Oasis erwirbt. Star-Zocker Wade Owen Watts (Tye Sheridan), der sich in der OASIS Parzival nennt, und Samantha Evelyn Cook alias Art3mis sind heiße Anwärter auf den Hauptgewinn, haben jedoch in dem fiesen Konzernchef Nolan Sorrento (Ben Mendelssohn) und seinem hochtechnisierten Team starke und gefährliche Gegner.

Sorrento lässt das Slum-Gebäude, in dem die Familie von Wade lebt, in die Luft jagen. (Foto: Courtesy of Warner Bros. Pictures)

Sorrento lässt das Slum-Gebäude, in dem die Familie von Wade lebt, in die Luft jagen. (Foto: Courtesy of Warner Bros. Pictures)

Der Kassenerfolg von „Real Player One“, ganz besonders außerhalb Deutschlands, kann sich sehen lassen, und einige Kritiker sehen in dem Streifen gar ein neues Meisterwerk des Regisseurs. Hiervon ist der Film allerdings bei näherer Betrachtung weit entfernt und stellt wenig mehr als einen weiteren Schritt zur zunehmenden Verschmelzung von Computerspiel und Film dar – eine Entwicklung, der zumindest Cineasten, die noch Filme schätzen, die nicht wie ein Game ohne Controller anmuten, nur mit Sorge entgegensehen können. Als Kind der 80er Jahre (Baujahr 1972) liebe ich das Kino dieser Zeit, insbesondere die Streifen aus der so genannten Spielberg-Factory, zu denen nicht nur Filme gehören, die Spielberg damals selbst inszenierte, sondern auch Werke, bei denen er als Produzent tätig war und Regisseure wie Robert Zemeckis, Joe Dante, Richard Donner, Matthew Robbins und viele andere auf dem Regiestuhl saßen.

Avatar Parzival trifft auf Programmierer Halliday. (Foto: Courtesy of Warner Bros. Pictures)

Avatar Parzival trifft auf Programmierer Halliday. (Foto: Courtesy of Warner Bros. Pictures)

Auch manche Filme von John Hughes, der bei „Ready Player One“ oft Erwähnung findet, oder deren Genre-Geschwister wie „St. Elmo’s Fire“ stehen bei mir im DVD-Regal. „Ready Player One“, der ebenso wie die Romanvorlage unzählige Filme und Games der 80er zitiert, möchte eine Hommage, eine Liebeserklärung an diese Zeit sein, findet allerdings, trotz einiger auf vordergründige Weise hübsch anzusehender Szenen, über weite Strecken die völlig falschen Mittel dazu. Ganz überwiegend präsentiert Spielberg seinen Zuschauern ein gigantisches Konsolenspiel deluxe, dem jede Seele und jeder Charme des handgemachten, über den die Filme der 80er Jahre ganz zwangsläufig verfügen, da nunmal die Computertechnik noch in den Kinderschuhen steckte, vollkommen abgeht.

Die Computerspiel-Optik weiter Teile von "Real Player One" ist hauptsächlich für Gamer interessant. (Foto: Courtesy of Warner Bros. Pictures)

Die Computerspiel-Optik weiter Teile von „Real Player One“ ist hauptsächlich für Gamer interessant. (Foto: Courtesy of Warner Bros. Pictures)

In jenen ausufernden Sequenzen, die in der virtuellen Welt OASIS spielen, soll sich der Zuschauer mit cool gestalteten Avataren identifizieren, denen natürlich durch die Szenen mit den Darstellern in der realen Welt Leben eingehaucht werden soll, was jedoch letztlich nur sehr begrenzt gelingt. Mit Ausnahme der Schlusssequenz im Kinderzimmer des Programmierers Halliday, die durchaus emotional zu berühren vermag, lässt das Schicksal der Hauptakteure vollkommen kalt, während der Zuschauer mit zugegebener Maßen hervorragend inszenierten Action-Sequenzen (deren Detailreichtum schlicht überfordert) sowie unzähligen, maß- und konzeptlos eingestreuten Filmzitaten zugeballert wird. Da letztere oft wenig subtil nach dem Perlenketten-Prinzip und viel zu offensichtlich auf dem Silbertablett serviert werden, geht bei vielen Filmfans selbst der vordergründige Spaß, den das suchen und finden der Zitate bereiten könnte, rasch verloren.

Samantha bekommt Schwierigkeiten in der realen Welt. (Foto: Courtesy of Warner Bros. Pictures)

Samantha bekommt Schwierigkeiten in der realen Welt. (Foto: Courtesy of Warner Bros. Pictures)

Darüber hinaus singt Spielberg, obwohl er am Ende schnell noch plakativ herausstellt, dass auch die reale Welt wichtig ist und ihren Sinn hat, letztlich ein Hohelied auf die OASIS und die damit verbundene Möglichkeit, der trostlosen Realität entfliehen zu können. Dabei lässt er außer acht, dass die Menschen zu abhängigen Sklaven dieser Technologie mutieren. Traurig, gerade im Kontext des Films, ist schließlich auch noch etwas anderes, nämlich der Umstand, dass Spielberg seinen individuellen Stil, den er in den 80er Jahren perfektionierte und der damals jedem Spielberg-Film einen hohen Wiedererkennungswert verlieh, längst an der Garderobe abgegeben hat. Heute ist von Regisseuren, zumindest von denen, die potentielle Blockbuster produzieren, eine eigene Handschrift nicht mehr gefragt, und somit sind viele neuere Spielberg-Streifen wie zum Beispiel „Krieg der Welten“ und leider auch „Ready Player One“ von einer gewissen Beliebigkeit geprägt, obwohl einige alte Spielberg-Mitstreiter wie zum Beispiel Kameramann Janusz Kamiński weiterhin mit am Start sind. Mit anderen Worten: Den Film hätten vermutlich auch viele andere auf genau die gleiche oder ähnliche Weise drehen können.

Für Sorrento (Ben Mendelssohn) wird es brenzlich. (Foto: Courtesy of Warner Bros. Pictures)

Für Sorrento (Ben Mendelssohn) wird es brenzlich. (Foto: Courtesy of Warner Bros. Pictures)

Freilich haben diverse Elemente des Films auch ihren Reiz, wenn auch oft nur auf plakative und vordergründige Weise. Eine Szene, in der die Avatare Parzival und Art3mis tanzend durch die Luft schweben, ist wunderschön anzuschauen, die Shining-Sequenz nach Kubricks berühmter Stephen-King-Verfilmung im detailreich rekonstruierten Overlook-Hotel ist variantenreich gestaltet und keinesfalls ein bloßer Abklatsch des Originals und Ben Mendelssohn als schurkischer Konzernboss spielt seine Rolle farbiger und detailreicher, als man es üblicher Weise von so einem eher einseitigen Charakter hätte erwarten dürfen. Dennoch war ich von dem Film, dem überdies eine Kürzung von mindestens 20 Minuten durchaus gut getan hätte, enttäuscht. Computerspiel-Nerds werden an „Ready Player One“ sicher gefallen finden, wenngleich gerade viele jüngere Zuschauer wohl mit den zahlreichen Filmzitaten wenig anfangen können. Wer jedoch mit der zunehmenden Vermischung von Film, Computerspiel und Computeranimation, für die ausgerechnet ein ehemaliges Mitglied der Spielberg-Factory, nämlich Robert Zemeckis, mit üblen Leinwand-Gurken wie „Polarexpress“ und „Beowulf“ den Weg bereitet hat, nichts anfangen kann und sich noch wehmütig an die Zeiten erinnert, als Kino noch Kino und Computerspiel noch Computerspiel war, den kann eine seelenlose Luftnummer wie „Ready Player One“, ausgerechnet umgesetzt von einem Regie-Idol aus der Zeit des handgemachten Kinos, eigentlich nur traurig stimmen.

Bewertung 2 von 5 Sternen

Ready Player One
USA 2018

Kinostart bereits angelaufen

FSK ab 12 Jahre

Darsteller Tye Sheridan, Olivia Cooke, Ben Mendelssohn u.a.

Regie Steven Spielberg
Drehbuch Ernest Cline, Zak Penn
Länge ca. 140 Min

Kategorie: Angeguckt, Film & TV

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In einer Ramsch-Kiste mit Taschenbüchern wurde ich, gerade mal 10 Jahre alt, fündig. Das – wie ich im Nachhinein feststellte – inkompetenteste Film-Nachschlagewerk dieser Erde, „Das Lexikon des Science-Fiction-Films“ von Roland M. Hahn, weckte mein Interesse für bewegte Bilder. Ich „zerlas“ es völlig (und auch seine nicht weniger missratenen Nachfolger über die Genres „Fantasy“ und „Horror“). Echtes Interesse für die Pop- und Rockmusik kam dagegen erst Jahre später – mit der ersten eigenen kleinen Hifi-Anlage und der CD „The Road to Hell“ von Chris Rea.

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