Von den späten 60ern bis in die frühen 90er Jahre hinein galt der Italiener Dario Argento zu recht als einer der ganz großen des Horror-Kinos. Keiner kombinierte visuelle Extravaganz, kühnen Schnitt, ungewöhnliche Kamperaperspektiven und für das Horror-Genre überaus ungewöhnliche Prog-Rock-Klänge – meist von der italienischen Band „Goblin“ – zu derart ausgefeilten Gesamtkunstwerken. Dass die Geschichten, die sich der Meister in aller Regel selbst ausdachte, mit der äußeren Brillanz oft nicht mithalten konnten und Argento es auch mit der inneren Logik seiner Storys nicht allzu genau nahm, trat angesichts der sinnlichen Erfahrungen von Werken wie „Profondo Rosso“, „Suspiria“, „Horror Infernal“ oder „Phenomena“ in den Hintergrund.
Nachdem Argentos Filme im Laufe der 90er Jahren an Bedeutung verloren, mussten sich die Fans spätestens in den 2000er Jahren langsam aber sicher eingestehen, dass es mit Argentos Kreativität und Schaffenskraft nicht mehr weit her war. Produktiv ist der Regisseur, der zumindest in seiner Heimat Italien noch immer Geldgeber für seine Projekte findet, bis heute, doch selbst, als seine Anhänger mit der Ankündigung des letzten Teils der Mütter-Trilogie „Mother of Tears“ oder einem angeblichen finalen filmischen Statement zu seinem Lieblings-Subgenre, dem „Giallo“, neue Hoffnung schöpften, enttäuschte Argento.
Argento-Fans sind Optimisten
Echte Fans sind jedoch von Grund auf optimistisch, schauen am Ende doch wieder jedes neue Werk und sind guter Dinge, dass des Meisters Inspiration eines Tages zurückkehren möge. Die Hoffnungen, dass dies bei „Dario Argentos Dracula“ passiert, waren von Anfang an gering, kursierte doch schnell ein Trailer auf Youtube, der bereits schlimmes erahnen lies. Zwei Jahre lang fand sich für das Werk außerhalb Italiens weder ein deutscher noch sonst irgendein Verleih, und jetzt, nachdem sich die rührige (und in der Veröffentlichung außergewöhnlicher Filme und Serien hoch geschätzte) Firma Koch Media dazu durchringen konnte, „Dario Argentos Dracula“ der Öffentlichkeit zu präsentieren, kann man deutlich sehen, warum. Es bringt an dieser Stelle sicher nicht viel, über die rein handwerklichen Schwächen zu lamentieren. Doch Computer- und 3D-Effekte, die in dieser Form wohl Mitte der 90er Jahre schon nicht mehr taufrisch gewesen wären und Kulissen, die phasenweise den Eindruck vermitteln, als seien sie dem Märchenwald im Phantasialand entsprungen, machen schon zu Beginn des Streifens nicht gerade Lust auf mehr.
Optik erinnert phasenweise an Jess-Franco-Filme
Rein optisch wird das Bestreben Argentos spürbar, den Look von Eurotrash-Streifen der 70er Jahre wieder aufleben zu lassen – phasenweise erinnert die Optik und vor allem jene Szene, in der zu Beginn ein dralles Liebespaar in einer einsamen Hütte eine wilde Nummer schiebt, frappierend an die Werke des spanischen Exploitation-Filmers Jess Franco – doch manche offensichtlich digital aufgenommene Innenraum-Szene wirkt so flach und schlecht ausgeleuchtet wie sonst nur bei Amateur-Produktionen üblich. Vielleicht wollte Argento den Look des ersten Hammer-Dracula-Streifens nachempfinden, den er sehr schätzt, wie er in einem im Bonus-Material enthaltenen Interview betont. In diesem Fall wäre das Vorhaben allerdings weitgehend missglückt.
Argento scheitert auch als Co-Autor
Da sich Argento ständig wider besseren Wissens im Drehbuch schreiben versucht, obwohl darin stets seine ausgewiesene Schwäche lag, musste er auch hier – gemeinsam mit drei (!) weiteren Autoren – die Zügel in der Hand halten, anstatt endlich jemanden an die Tastatur zu setzen, der sich mit sowas besser auskennt. Also wurde die altbekannte Geschichte um den alten Blutsauger zwar teils kräftig durch die Mangel gedreht, dabei jedoch beileibe nicht zum Guten verändert.

Auch, wenn es auf diesem Bild ganz anders aussieht – Thomas Kretschmann hat als „Dracula“ nur wenig Biss. (Foto: Koch Media)
Die banalen Dialoge zum Beispiel, die die Handlung an vielen Stellen nicht im geringsten voranbringen und oft über Floskeln und „Small Talk“ kaum hinausgehen, langweilen ungemein. Spannung scheint Argento – wie übrigens in vielen seiner neueren Filme – mit irren Gewaltexzessen zu verwechseln, die nicht selten an dramaturgisch völlig absurden Stellen auftreten. Offensichtlich glaubt der Maestro, dass die Fans seine Filme nur dann goutieren können, wenn ordentlich gemetzelt wird, egal, ob die Blutorgie nun gerechtfertigt erscheint oder nicht. Dabei hat die Gewalt, die auch in seinen Meisterwerken wie „Suspiria“ vorkommt, diese Filme natürlich nicht allein zu Genre-Klassikern gemacht, sondern deren Zusammenspiel mit all jenen visuellen, akustischen, schnitttechnischen und spannungsdramaturgischen Instrumenten, deren Benutzung Argento offenbar im Laufe seines Lebens gänzlich verlernt hat.
Rudger Hauer nur wenig zu sehen
Bleiben noch die – ebenfalls kaum überzeugenden – schauspielerischen Leistungen zu erwähnen. Thomas Kretschmann agiert als Dracula emotionslos-hölzern und versprüht kaum mehr Leidenschaft als eine Stehlampe, während am Schauspieltalent von des Meisters Töchterchen Asia Argento, die höchstens mal neben anderen Mimikgranaten wie Vin Diesel in „XXX Tripple X“ überzeugen kann, ja schon immer gewisse Zweifel bestanden. Und Rudger Hauer? Der einstige „Blade Runner“ ist eh nur für sehr kurze Zeit zu sehen und spielt inzwischen sogar bei „Agent Ranjid rettet die Welt“ mit Kaya Yanar mit. Noch Fragen? Einen Trost für die Argento-Jünger gibt es allerdings: Viel schlimmer als bei „Dario Argentos Dracula“ kann es eigentlich nicht mehr werden. Dario Argento arbeitet jedenfalls schon längst wieder an einem neuen Projekt, wenn man seiner Facebook-Seite Glauben schenken darf. Die Hoffnung stirbt also auch weiterhin zuletzt.
Dario Argentos Dracula 3D
(Dario Argentos Dracula 3D)
Genre Horror
FSK ab 18 Jahren
Laufzeit ca. 106 (DVD) ca. 110 (Blu-ray) Minuten
Produktion Italien 2012
Ton/Sprache (DVD) Dolby-Digital 5.1, (Blu-ray) DTS HD-Master Audio 7.1 / Englisch, Deutsch
Bewertung 1 von 5 Punkten