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Bruder vor Luder – 84 Minuten verschwendete Lebenszeit

„Die Lochis“ loten mit „Bruder vor Luder“ die Untiefen der deutschen Komödie aus. (Foto: Constantin Film)

Weit weg von der Zielgruppe – ja, das bin ich. Das muss ich sein, denn weder mir selbst noch jemandem in meinem Umfeld sagten „Die Lochis“ etwas. Dabei sind Heiko und Roman Lochmann alias „Die Lochis“ Stars. Stars einer eng definierten Zielgruppe: Weiblich und so jung, dass Mama und Papa sie noch zu Konzerten begleiten müssen. Und wenn die Brüder nicht auf die Idee gekommen wären, statt Clips auf YouTube einen Kinofilm zu produzieren, wäre mir einer der beschissensten Filme der vergangenen Jahre erspart geblieben. Normalerweise entschuldige ich mich für eine solche Wortwahl, aber für diesen hingerotzten Schnellschuss an Film kann es keine Entschuldigung geben.

Die Brüder möchte ich allerdings ausdrücklich in Schutz nehmen. Welcher Jugendliche sagt schon nein, wenn er mit einem Kinofilm gelockt wird. Zumal, wenn er dank des Internets weiß, wie gut es sich anfühlt, berühmt zu sein. Keinen Schutz können allerdings jene Produzenten erwarten, die mit solchen Filmen von dieser Berühmtheit profitieren möchten und wissen, dass diese so flüchtig wie eine Eintagsfliege sein kann. Hände hoch, wer sich noch an Daniel Küblböck erinnert. Jene latente Berühmtheit aus dem TV, dem damals die Herzen der vorpubertierenden Mädels zuflogen. Sein Schnellschuss an Film „Daniel der Zauberer“ aus dem Jahr 2004 wird bei der weltweit größten Filmdatenbank mit 1,6 Sternen (maximal zehn Sterne können Kinogänger vergeben) als einer der miesesten Filme aller Zeiten gelistet. „Bruder vor Luder“ kommt aktuell auch auf 1,6 Sterne und bekommt jene Platzierung, welche er verdient.

Drehbuchautor sollte sich anderen Job suchen

Da ist zum Beispiel dieses Drehbuch, das sich einen Dreck um eine stringente Story schert. Stattdessen handelt es sich um eine Nummernrevue, bei der die einzelnen Nummern die Untiefen der deutschen Komödie ausloten. Mag sein, dass auf Youtube einige dieser Nummern funktionieren und für Lacher sorgen, aber in einem Spielfilm wäre ein erkennbarer roter Faden vorteilhaft. Stattdessen darf sich einer der Brüder mal in die Hosen scheißen oder im Hallenbad einen Ständer in einer Elefantenbadehose bekommen. Wie lustig, ein steifer Rüssel… Ich war echt naiv, weil ich geglaubt habe, dass der deutsche Film diese Art der Komödien endgültig hinter sich gelassen hätte. Wenn das Niveau erst einmal so unterirdisch ist, hilft auch keine Ironie mehr. Sätze wie „und wieso ein Konzert, ihr Youtuber macht doch jetzt alle Kinofilme“ sind nicht lustig, sondern nur peinlich, weil sie das niedrige Niveau schonungslos offenlegen. Peinlich ist auch die geschmacklose Art wie mit gesellschaftlichen Gruppen wie Behinderten oder Homosexuellen umgegangen wird, nur um billige Lacher zu kreieren. Das macht dermaßen sprach- und fassungslos, dass sich Drehbuchautor Alexander Dydyna zukünftig besser einem Job widmet, bei dem er keinen Schaden mehr anrichten kann.

Lahme, holzschnittartige Inszenierung

Kameramann Tomas Erhart fiel die undankbare Aufgabe zu, das Nichts an Drehbuch zusammen mit den Brüdern Lochmann in Szene zu setzen. Herausgekommen ist eine holzschnittartige Inszenierung, die deutlich lahmer als der offizielle Trailer daherkommt. Während dieser halbwegs rasant geschnitten ist, wollen im Film die Einstellungen oftmals nicht enden und erinnern mehr an einen Heimatfilm aus den 1950er Jahren als an einen Film für ein junges Publikum, das schnelle Schnitte gewohnt ist und einfordert. Traumschiff statt Hangover.

Bruder vor Luder. Foto: Constantin Film

Petra Nadolny liefert eine „Switch reloaded“ Comedy-Nummer in Dauerschleife ab. (Foto: Constantin Film)

Die darstellerischen Qualitäten der „Lochis“ sind nicht beschränkt, sie sind nicht vorhanden. Sich in einem Spielfilm selbst darzustellen ist etwas völlig anderes, als man selbst beim Bäcker um die Ecke einkaufen zu gehen. Selbst die „Profis“, die als Gast-Stars agieren, wie Axel Stein, Ludger Pistor oder Oliver Pocher wussten wohl nicht, was sie machen sollten und spielten einfach mal irgendetwas runter. Petra Nadolny machte sich erst gar keine Gedanken über ihren Part und liefert eine „Switch reloaded“ Comedy-Nummer in Dauerschleife ab.

Schlechter geht es kaum noch

So sieht es also aus, wenn Youtuber Kino machen. Ach du schei… Hoffen wir mal, dass jene, die den „Lochis“ folgen, es besser machen werden – schlechter geht auch kaum noch. Insbesondere das Drehbuch, das mit geschmack- und niveaulosen Witzchen auf Kosten von Gruppen wie Behinderten oder Homosexuellen bei der jungen Zielgruppe Lacher erhaschen möchte, ist mir extrem sauer aufgestoßen. Zumindest schafft „Bruder vor Luder“ ein Novum bei worteffekte: null von möglichen fünf Punkten.

Bewertung 0 von 5 Punkte

Bruder vor Luder. Foto: Constantin FilmBruder vor Luder
Deutschland 2015

Dt. Heimkinostart 4. Mai 2016
FSK ab 6 Jahre

Darsteller Roman Lochmann, Heiko Lochmann, Milena Tscharntke, Tara Fischer, Alena Wolf, Dagi Bee, Simon Desue, Nora Jokhosha, Axel Stein, Ludger Pistor, Petra Nadolny, Oliver Pocher,
Regie Heiko Lochmann, Roman Lochmann, Tomas Erhart
Drehbuch Alexander Dydyna

Bildformat 2.40:1 in 16:9
Tonformat Deutsch Dolby Digital 5.1, Deutsch Stereo, Hörfilmfassung Deutsch, Deutsche Untertitel für Hörgeschädigte
Länge ca. 84 Min.
Extras Making of (ca. 15 Min.), Blick hinter die Kulissen (ca. 9 Min.), Interviews (ca. 11 Min.), Musikvideo (ca. 3 Min.), Kinotrailer (ca. 2 Min)

3 Fanpakete des Films zu gewinnen

BVL_Muetze_LogoMacht Euch Euer eigenes Bild von „Bruder vor Luder“. Wir freuen uns, dass wir von Constantin Film drei Fanpakete mit jeweils einer der DVD des Films und einer Mütze erhalten haben. Die behalten wir natürlich nicht, sondern verlosen sie unter allen, die diesen oder den Beitrag auf unserer Facebook-Seite zwischen dem 15. und 31. Mai 2016 kommentieren. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen; es besteht kein einklagbarer Anspruch auf Auszahlung der Gewinne. Wir wünschen allen viel Glück!

Mehr Kleingedrucktes zu unseren Gewinnspielen lest Ihr unter www.worteffekte.de/impressum

Kategorie: Abgreifen, Angeguckt, Film & TV

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In einer Ramsch-Kiste mit Taschenbüchern wurde ich, gerade mal 10 Jahre alt, fündig. Das – wie ich im Nachhinein feststellte – inkompetenteste Film-Nachschlagewerk dieser Erde, „Das Lexikon des Science-Fiction-Films“ von Roland M. Hahn, weckte mein Interesse für bewegte Bilder. Ich „zerlas“ es völlig (und auch seine nicht weniger missratenen Nachfolger über die Genres „Fantasy“ und „Horror“). Echtes Interesse für die Pop- und Rockmusik kam dagegen erst Jahre später – mit der ersten eigenen kleinen Hifi-Anlage und der CD „The Road to Hell“ von Chris Rea.

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