Das Low-Budget Slasher- und Home-Invasion-Movie „You’re Next“, das Ende März mit zweijähriger Verspätung als Video-Premiere bei „Splendid“ erschienen ist, lässt den Genre-Fan hin- und hergerissen zurück. Auf der einen Seite ein Drehbuch, dessen Story und Handlungsverlauf dreist zusammengeklaut wurde und mit Unwahrscheinlichkeiten und Logikschwächen glänzt, auf der anderen Seite eine durchaus kreative und handwerklich versierte Crew, die in der Lage ist, aus dem dürftigen Material und einem mickrigen Budget von nur 1 Million Dollar trotzdem einen recht unterhaltsamen und extrem blutigen Splatter-Stoff zu fabrizieren.
Die Davison-Familie ist zwar reich, sich untereinander aber dennoch alles andere als grün. Zähneknirschend kommen trotzdem alle in einem abgelegenen Landhaus zusammen, um den Hochzeitstag der Eltern zu feiern. Nachdem sich die durchweg recht unsympathisch gezeichneten Charaktere eine Weile angegiftet und angezickt haben, stellen sie alsbald fest, dass sie ein viel größeres Problem haben, denn plötzlich surren Armbrust-Pfeile durchs geschlossene Fenster. Eine Horde unbekannter Angreifer in Tiermasken scheint nur ein Ziel zu haben: die gesamte Familie auf grausame Weise auszurotten. Der Grund für die Attacke ist zunächst unklar, doch die Familienmitglieder haben ohnehin keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, denn sie müssen nahezu unbewaffnet ums nackte Überleben kämpfen. Mit der Zeit stellen die mysteriösen Angreifer allerdings fest, dass mit Erin (Sharni Vinson aus „Step Up 3D), der neuen Freundin eines der Sprösslinge der Familie, die sich mal in einer Besserungsanstalt durchschlagen musste, gar nicht gut Kirschenessen ist. Denn die taffe Dame hat nicht die geringste Lust, sich so einfach zur Schlachtbank führen zu lassen.
Ohne Zweifel, Autor Simon Barrett, der auch als Darsteller eines der Killer mitwirkt, hat bei anderen Genre-Vertretern geklaut, was das Zeug hält, insbesondere bei dem deutlich besseren Home-Invasion-Thriller „The Strangers“ mit Liv Tyler. Auch Parallelen zu „The Purge“ mit Ethan Hawke, der dem Thema allerdings ein futuristisches Element zufügte, sind festzustellen. Zahlreiche handwerkliche Ungereimtheiten des Drehbuches mindern zudem oft unnötigerweise den Unterhaltungswert des Films. So rechtfertigt zum Beispiel der Grund der Attacke, den man relativ früh erahnen kann, höchstens in Ansätzen die teils extreme Grausamkeit, mit der die Angreifer die Familienmitglieder ins Jenseits befördern. Auch einige der gezeigten Tötungsarten – Stichwort Gitarrensaite – würden in der Realität wohl rein technisch kaum funktionieren. In diesem Fall müsste dem Täter zumindest die genaue Körpergröße des Opfers bekannt sein.
Auf der Habenseite kann der Film jedoch zum einen seine tadellose Kameraarbeit, eine phasenweise durchaus spannende Inszenierung sowie den teilweise pechschwarzen Humor verbuchen, für den allerdings wohl überwiegend beinharte Genre-Fans eine Antenne haben werden. Wenn sich zum Beispiel einer der Verbrecher bei seinem Opfer, dass er permanent mit Messerstichen traktiert, beschwert, dass es partout nicht sterben will und ihm in weinerlich-vorwurfsvollem Ton klarmachen will, dass doch diese Situation für ihn als frisch gebackenem Killer schließlich auch nicht leicht sei, hat das schon was Skurriles. Somit hat wohl das handwerkliche Talent und der zeitweise aufblitzende Ideenreichtum der Macher ebenso wie die teils absurd-kruden Splatter-Szenen (Stichwort: Schädelzertrümmerung durch Küchenmixer) dafür gesorgt, dass sich der Film zumindest in den USA mit einem Einspiel von immerhin 26,4 Millionen Dollar (laut Wikipedia) zu einem kleinen Genre-Hit entwickelt hat. Darüber hinaus verzeichnen Kenner der Materie einige interessante Gast-Auftritte, unter anderem von Horror-Regisseur Ti West (’Cabin Fever 2’). Wer also die Drehbuch-Schwächen ausblendet und ’You’re Next’ als reinen Party-Slasher begreift, kann an dem Low-Budget-Filmchen, das übrigens ausnahmsweise auch in Deutschland uncut ab 18 Jahren freigegeben ist, durchaus seine Freude haben.
You’re Next
Genre Horror
FSK ab 18 Jahren
Laufzeit ca. 90 Minuten
Produktion USA 2012
Bildformat 2,40:1 bei 16:9
Untertitel Deutsch