„Empört euch, beschwert euch, und wehrt euch, es ist nie zu spät!“ Auch nach 40 Jahren auf der Bühne lässt sich der ebenso streitbare wie vielseitig talentierte Liedermacher Konstantin Wecker den Mund nicht verbieten.
„Empört Euch“, einer seiner neueren Stücke, fordert die Menschen auf, sich nicht lethargisch den weltweiten Ungerechtigkeiten, hervorgerufen durch die skrupellos eingesetzte Macht der Banken und Großunternehmen, zu ergeben, sondern sich dagegen zu aufzulehnen. Wecker, der am Dienstag, 24. März 2015 in der Lüdenscheider Schützenhalle im Rahmen eines gut dreistündigen Konzertes rund 400 Anhänger begeistern konnte, sieht sich nach wie vor als Anarchist und Freidenker, der sich zwar politisch engagiert, jedoch niemals auf die Idee käme, einer Partei beizutreten und sich in ein Korsett zwängen zu lassen.
Weckers Konstanz und Ehrlichkeit über Jahrzehnte hinweg, die Lebenserfahrung, die aus seinen meist mit einem ironischen Augenzwinkern servierten Erinnerungen an Aufenthalte in Gerichtssälen und Gefängnissen sowie die einstige Kokainabhängigkeit spricht und nicht zuletzt die kämpferischen, jedoch oft auch hochemotionalen Lieder, die die Herzen berühren, lassen ihn als Mitglied der vom Aussterben bedrohten Spezies des „Liedermachers“ neben Reinhard Mey und Hannes Wader auch nach vier Jahrzehnten noch erfolgreich sein.
Wecker wird durch eine hervorragende Band unterstützt
Mit zu diesem Erfolg trägt sicher bei, dass sich Wecker nicht allein mit Stimme und Klavier vor sein Publikum stellt, sondern auf die Begleitung einer erstklassigen Band setzt. Die bestand an diesem Abend aus Fany Kammerlander (Cello), Jo Barnikel (Klavier und Keyboards) sowie Jens Fischer (Bass, Gitarre, Schlagzeug, Percussion, Tenorhorn, Gesang). Die Band agierte meist ebenso unaufgeregt wie qualitativ hochwertig im Hintergrund, sorgte jedoch bisweilen für besondere musikalische Schlaglichter, zum Beispiel bei dem ergreifenden Song „Und dann“, in dem es um eine Frau geht, die ihr ganzes Leben für ihren undankbaren Mann geopfert hat und den Jens Fischer mit wunderbar melancholisch-träumerischen Tenorhorn-Passagen adelte.
Dass Wecker nie Probleme damit hatte, Autoritäten auf die Füße zu treten, beweist er mit Liedern wie „Der Herr Richter“ („Am Sonntag am Spielplatz um Dreiviertel Zehn, da lässt der Herr Richter sein Schwänzlein seh’n“), das der Liedermacher zu einer Zeit verfasste, als er selbst mit dem Gesetz in Konflikt stand. Am Dienstag spielte er das Werk kurz augenzwinkernd an. Im Gewand einer lässigen Rumba mit einem klangvollem Cello-Solo von Fany Kammerlander kam dagegen Weckers Lied über die „Feine Gesellschaft“ am Randes des Abgrunds daher. Zweimal gönnte sich das Multitalent, das neben der Musik auch als Schriftsteller sowie als Schauspieler aktiv ist, einen Gang durchs Publikum und suchte damit die Nähe zu seinen Fans, zum Beispiel bei „Questa Nuova Realtá“ (Was für eine Nacht).
Hierbei vergaß er, ganz in den fröhlichen Song versunken, Kammerlander an entsprechender Stelle ihr Solo zu gönnen. Natürlich unterbrach er seine Strophe und ließ die Musikerin dann doch noch an ihrem Instrument glänzen – an diesem Abend ging es eben nicht um Perfektion, sondern vielmehr um Herz, Verstand und gute Musik. Zuvor lieferte Wecker als eine von vielen Zugaben ein rührend unprätentiöses Gedenken an die Sterbestunde seines Vaters, eine Mischung aus gesprochenen Texten und musikalischen Elementen, die unter die Haut ging. „Wir brauchen Träumer und Verrückte, wir seh’n doch was passiert, wenn die Normalen regier’n“ singt der Liedermacher in „Empört Euch“. Einen ehrlichen und begnadeten Verrückten wie Konstantin Wecker werden die Fans wohl noch lange gern auf seinem künstlerischen Weg begleiten.
„Ein wirklich angenehmer Künstler
Jürgen Wigginghaus als örtlicher Veranstalter, der mit seinem Partner, der bundesweit veranstaltenden Kultopolis GmbH, insgesamt sechs Kultur-Events in die historische Schützenhalle Lüdenscheid holte, ist nach dieser sechsten und letzten Veranstaltung mit der Resonanz zufrieden: „Das Konzert mit Konstantin Wecker habe ich als Höhepunkt dieser Serie hier in der Schützenhalle empfunden“, meint Wigginghaus. „Das ist ein wirklich angenehmer Künstler, der auch backstage keine Allüren hatte und sich schon fast wunderte, dass er hier in der Provinz ‚in dieser außerordentlich schönen Halle‘ so vom Publikum gefeiert wurde.“